Rostock, 11. Mai 2018 -Seit Jahren existiert in
Deutschland ein Mangel an Augenhornhauttransplantaten. Mit der im Juli 2015 gegründeten Gewebebank Mecklenburg-Vorpommern hat sich dieser Versorgungsengpass erheblich reduziert. Diese Woche
konnte die Transplantation der 1.000. Augenhornhaut gefeiert werden.
„Unser Team ist sehr stolz, dass wir innerhalb so kurzer Zeit so vielen Menschen mit gesundheitlichen Sehproblemen helfen konnten“, sagte der Geschäftsführer der gemeinnützigen Gewebebank
Mecklenburg-Vorpommern (GBM-V), Dr. Frank-Peter Nitschke. „Wir verdanken diesen Erfolg maßgeblich den Spendern und ihren Familien sowie den unglaublich engagierten Mitarbeitern in den Kliniken,
die die Entnahme der Gewebe erst möglich machen. In keinem anderen Bundesland ist die Bereitschaft zur uneigennützigen, großherzigen Gewebespende höher als in
Mecklenburg-Vorpommern.“
Hohe Spendebereitschaft sorgt für bessere Versorgung
In Mecklenburg-Vorpommern werden jährlich rund 200 Augenhorntransplantationen primär in Rostock, Greifswald, Demmin, Neubrandenburg und Stralsund durchgeführt. Bundesweit sind es etwa 8.000
Transplantation pro Jahr. Allein aus der Gewebebank MV werden derzeit pro Woche durchschnittlich 25 Transplantate abgegeben, was die überregionale Bedeutung dieser Gewebebank widerspiegelt. „Für
dieses Jahr planen wir die Bereitstellung von insgesamt rund 1.200 Augenhornhauttransplantaten. Derzeit können wir allen Anfragen von Transplantationszentren nach Augenhornhäuten ohne Wartezeiten
nachkommen“, betonte Nitschke.
Um die Vermittlung der Hornhauttransplantate noch effektiver und unkomplizierter zu gestalten, gibt es zukünftig auf der Website der GBM-V ein Kontaktformular, so dass anfragende Augenärzte
innerhalb kürzester Zeit eine Antwort erhalten, ob ein passendes Transplantat zum gewünschten Termin zur Verfügung gestellt werden kann. „Wir wollen verhindern, dass einerseits Augenhornhäute
nach der Lagerungszeit von maximal 34 Tagen verfallen und andererseits Patienten und Ärzteteams unnötig lange auf eine dringend notwendige Transplantation warten müssen.“
Qualität spielt entscheidende Rolle
Transplantate der Rostocker Gewebebank sind insbesondere wegen der hohen
Qualität an vielen Universitätsklinika gefragt. „Unsere erfahrenen Mitarbeiter verarbeiten die entnommenen Augenhornhäute nach einer gründlichen Eingangskontrolle sehr zügig. Nach der
fachgerechten Präparation kann die Augenhornhaut in der Gewebebank in einem mit Nährstoffen angereicherten Organkulturmedium bei ca. 32 Grad bis zu 28 Tage vorgehalten werden. Durch Produktion in
einer Reinraumanlage sowie umfassende gesetzlich vorgeschriebene mikrobiologische Untersuchungen der Gewebepräparate senken wir dabei das Infektionsrisiko für den Transplantatempfänger auf ein
Minimum“, erläuterte der Transplantationsmediziner
Aufgrund der hohen Transplantatzahlen sind bereits jetzt neue Personaleinstellungen sowie eine Erweiterung der Räumlichkeiten geplant. So werden derzeit neue Büros im Biomedizinischen
Forschungszentrum Rostock (BMFZ) bezogen sowie weitere Mitarbeiter in der Herstellung gesucht.
Eine Augenhornhauttransplantation ist insbesondere bei der Fuchs'schen Endotheldystrophie ein bewährter und etablierter Eingriff. Bei der erblichen Augenerkrankung, die von dem österreichischen
Augenarzt Ernst Fuchs im vorigen Jahrhundert entdeckt wurde, kommt es zu einem Zellschaden in der Innenschicht der Hornhaut, die dann das Augenwasser aus der Hornhaut nicht mehr richtig abführen
kann, um die Hornhaut klar zu halten. Oftmals hilft in diesem Fall nur eine neue Augenhornhaut, um das Erblinden zu verhindern. Die Hornhauttransplantation ist die älteste und am häufigsten
durchgeführte Transplantation in der Medizin.
Enge Kooperation mit der Gesellschaft für Transplantationsmedizin
Basis für die verbesserte
Versorgung der Patienten mit Hornhauttransplantaten ist die enge Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Transplantationsmedizin, die durch Kooperationen mit Kliniken in Mecklenburg-Vorpommern,
Brandenburg und Sachsen die Versorgung mit humanem Gewebe sicherstellt. „Aufgrund des wachsenden Netzwerkes an Kliniken, die mit uns kooperieren, können wir erheblich zur Verbesserung der
Versorgungslage beitragen“, erklärte der Geschäftsführer der gemeinnützigen Gesellschaft für Transplantationsmedizin MV (GTM-V), Dr. Axel Manecke. Im Netzwerk der Gewebespende arbeitet die GTM-V
inzwischen mit 20 Krankenhäusern zusammen.
Die Transplantationsmediziner appellieren an alle Familien, eine klare Entscheidung zur Organ- und Gewebespende zu treffen. „Egal ob dafür oder dagegen, jede klare Entscheidung erleichtert den Angehörigen, den Mitarbeitern in den Kliniken und uns die Arbeit“, unterstrich Manecke.
Jeder Patient, dem mit einer gespendeten Augenhornhaut das Sehlicht erhalten bleibt, ist sehr dankbar über die Spendebereitschaft seiner Mitmenschen. In der Gewebebank Mecklenburg-Vorpommern
wird die Grundlage für eine erfolgreiche Augenhornhauttransplantation gelegt.
Foto: Joachim Kloock
Rostocker Gewebebank erhält als erste Einrichtung in MV Herstellungserlaubnis für humane Herzklappen und Blutgefäße
Gewebekoordinator Stephan Petrowski bringt eine Kühlbox mit einem Herzen in die Gewebebank.
Nach der Entnahme werden dort die Transplantate aufbereitet.
Foto: GBM-V/Barbara
Pommerenke
Rostock, 1. Juni 2017 - Enormer Bedarf an hochwertigen kardiovaskulären Transplantaten
Das Landesamt für Gesundheit und Soziales MV hat der Gewebebank Mecklenburg-Vorpommern gGmbH (GBM-V) mit Sitz in Rostock im Mai die „Erlaubnis für die
Be- oder Verarbeitung, Konservierung, Prüfung, Lagerung, das Inverkehrbringen von Gewebe oder Gewebezubereitungen“ erteilt. Damit ist die Rostocker Einrichtung die einzige Gewebebank in
Mecklenburg-Vorpommern, die kardiovaskuläre Transplantate herstellen darf.
Bereits seit zwei Jahren wurden durch die eng mit der GBM-V kooperierende Gesellschaft für Transplantationsmedizin M-V gGmbH (GTM-V), ebenfalls ansässig in Rostock, zwar schon Gewebespenden von
Herzen oder Gefäßen entnommen, aber nun können die Transplantate auch in Rostock für den künftigen Empfänger aufbereitet werden. Vorher haben das vertraglich gebundene Gewebebanken außerhalb
Mecklenburg-Vorpommerns übernommen. „Der Bedarf an hochwertigen Herzklappen- und Gefäßtransplantaten ist enorm“, sagt der ärztliche Geschäftsführer Dr. Axel Manecke von der Gesellschaft für
Transplantationsmedizin Mecklenburg-Vorpommern gGmbH. „Das liegt insbesondere an der älter werdenden Gesellschaft, aber auch am medizinischen Fortschritt, der Operationen zunehmend auch im
höheren Alter möglich macht.“
Die Entnahme von kardiovaskulärem Gewebe ist bis zu 36 Stunden nach dem Eintreten des Herz-Kreislaufstillstandes möglich. Die Gewinnung von Organen und Geweben des Spenders erfolgt durch einen Eingriff, der mit einer Operation am lebenden Patienten vergleichbar ist. „Nur mit größter Sorgfalt entnommene Organe bzw. Gewebe können in der Folge wieder transplantiert werden. Die hergestellten Gewebezubereitungen, Herzklappen und Gefäße, sind bei Temperaturen unter - 130 °C in Stickstoff fünf Jahre lagerbar. Da die Nachfrage jedoch sehr hoch ist, wird die Lagerungszeit in der Regel nicht ausgeschöpft“, erläuterte Dr. Frank-Peter Nitschke, ärztlicher Geschäftsführer der Gewebebank Mecklenburg-Vorpommern gGmbH.
Spenderaufkommen soll deutlich erhöht werden
Die Gewebebank Mecklenburg-Vorpommern gGmbH im Biomedizinischen Forschungszentrum Rostock (BMFZ) stellt derzeit Gewebezubereitungen aus Augenhornhäuten, Herzklappen und Gefäßen nach herkömmlichen
klassischen Verfahren her. Auf der Basis eines eigens entwickelten Meldesystems mit mittlerweile 16 kooperierenden Krankenhäusern hat die GTM-V in 2016 rund 1.500 Spendermeldungen aus den
Kliniken in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg erhalten. Diese sollen im laufenden Jahr mehr als verdoppelt werden. „Wir sehen unsere Aufgabe auch im Werben um eine hohe Spendenbereitschaft
durch eine aktive Informations- und Aufklärungsarbeit. Im Notfall möchte jeder, dass ihm schnell geholfen werden kann“, betonte Nitschke.
In Zukunft wird die GBM-V gGmbH vorrangig neue, innovative und zukunftsorientierte Technologien zur Herstellung von Transplantaten aus Herzklappen, Haut und anderen Geweben etablieren. Die
erforderlichen Erlaubnis- und Genehmigungsverfahren sind bereits in Vorbereitung. Dazu kooperiert die gemeinnützige Gesellschaft mit dem britischen Biotechnologieunternehmen Tissue Regenix. Die
Tissue Regenix Group plc ist eine international führende Firma in der Entwicklung von regenerativen Implantaten auf der Basis zellfreier Gewebegerüste (tissueregenix.com).
Hintergrund
Die Gewebemedizin stellt einen bedeutenden Teilbereich der Transplantationsmedizin dar. Schätzungsweise 52.000 Gewebetransplantationen werden jährlich in Deutschland durchgeführt, weitaus mehr
als Organtransplantationen. 2016 erhielten bundesweit 3.049 Patienten ein Spenderorgan. Im Gegensatz zur Organspende werden die Gewebe nicht gleich verpflanzt. In Gewebebanken werden aus den
entnommenen Gewebepräparaten qualitativ hochwertige Gewebetransplantate hergestellt. In der medizinischen Versorgung werden vor allem Herzklappen, Blutgefäße, Augenhornhäute, Knochen, Sehnen,
Faszien sowie Amnionmembranen und Haut nach Aufbereitung zu Gewebetransplantaten eingesetzt.
Die Versorgung von Patienten mit Gewebezubereitungen ist auch zehn Jahre nach Inkrafttreten der gesetzlichen Rahmenbedingungen unbefriedigend. Die Wartezeiten beim Ersatz einer Augenhornhaut liegen bei etwa drei Monaten, bei kardiovaskulären Geweben, also Herzklappen und Gefäßen, ist noch gravierender. Noch immer müssen Gewebetransplantate aus dem Ausland importiert werden. Im Notfall kann das Fehlen von geeignetem Spendergewebe auch tödlich enden oder zur dauerhaften Verschlechterung der Lebensqualität (z. B. Amputationen von Gliedmaßen, Verlust der Sehkraft) führen.
In Deutschland sind derzeit ca. 20 Einrichtungen mit einer Erlaubnis für die Gewinnung von Gewebe im Bereich der Spende aktiv. Die Spenderprogramme sind universitär (11), in gGmbH (6) oder GmbH (3) organisiert. Die Gewebebank Mecklenburg-Vorpommern kooperiert im Bereich der Gewebespende mit der GTM-V.
Artikel aus dem Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern
Ausgabe 3/2016 26. Jahrgang